Gespräch Gespräch P r o f . J o c h e n R ä d e k e r u n d D r. S t e p h a n V o g e l ÜBER DIE ZUKUNFT DES BILDES IN DER WERBLICHEN KOMMUNIKATION. S Dr. Stephan Vogel hat 1997 bei Ogilvy & Mather Advertising Frankfurt angefangen und ist heute Chief Creative Officer für Ogilvy & Mather Advertising Deutschland. Er ist Mitglied im ADC, seit 2008 ADC-Mitglied im Präsidium und seit Nov. 2012 deren Präsident. Dr. Stephan Vogel hat Dutzende inter- nationale Kreativpreise bei Wett- bewerben wie D&AD, LIAA, Clio oder One Show gewonnen – allein in Cannes fünfundzwanzig Löwen in den letzten Jahren. Er war u.a. Jury Mitglied bei: Cannes Lions, D&AD, Clio, New York Festivals, ADC, ADC of Europe und Epica. » ICH BIN SCHON IMMER EIN ABSOLUTER BILDMENSCH. « S t e p h a n V o g e l 2 joch e n r ä de k e r Wir freuen uns über einen prominenten Gesprächspartner für die erste Ausgabe des BFF-Magazins: Dr. Stephan Vogel, Kreativchef Ogilvy & Mather Adverti- sing Deutschland. Erste Frage: Wie werden Bild und Text heute wahrgenommen, und welches dieser Elemente ist dir wichtiger? st e ph a n voge l Auch wenn ich mal als Texter angefangen habe, bin ich schon immer ein absoluter Bildmensch. Nicht zu jedermanns Vergnügen übrigens: Unser Artdepartment leidet noch heute unter meinen Scribbles. Was Plakate angeht, hatte ich ein Urerlebnis mit Kollegen aus Kenia. Dort leben 60 Prozent Analphabeten, also hat visuelle Kommunikation in Kenia praktisch keinen Text. Ich habe versucht, ähnlich zu arbeiten, aufs Bild kon- zentriert, für sehr schnelle Rezeption. Mein Kodak-Plakat für Österreich bestand aus nichts als einem riesigen Bild – und hat beim dortigen ADC Gold gewonnen; womit ich nicht sagen möchte, dass Analphabetismus in Österreich ein Problem ist. joch e n r ä de k e r Apropos Wettbewerbe – nach meinem Eindruck reagieren auch Jurys eher auf das schnelle Bild, als dass jemand sich die Mühe machen würde, einen Text zu lesen. Sind die überlastet, weil an einem Tag über 1.000 Wettbewerbseinreichungen zu bewerten sind, oder ist in der Endkonsu- mentenwerbung das Bild grundsätzlich jeder noch so knackigen Headline überlegen? st e ph a n voge l Unsere komplette Wahr- nehmung funktioniert physiologisch sehr stark über visuelle Orientierung anhand von Raum, Farben, Gegenständen, Bewegung. Buchstaben und Zeichen tauchen in der Evolutionsgeschichte des Menschen sehr spät auf. Das Limbische System, wo unsere Emotionen entstehen, wird durch Bilder angeregt. Deswegen kann ein guter Film seine Wirkung allein durch Bild und Schnitt erzeugen, fast ohne Dialog. joch e n r ä de k e r Man merkt, dass du einen Hintergrund als Wahrnehmungspsy- chologe hast. Was sagst du als solcher zum immer wirksamen Kinder- oder Hundeblick, oder anders gefragt: Was ist dein Anspruch an den Profi-Fotografen, der über diese Kli- schees hinausgeht und starke werbliche Bil- der kreiert, die auch in Kenia funktionieren? st e ph a n voge l Ich erwarte ein Bild, das absolut einfach und klar strukturiert ist. Hierzulande steht so was schnell unter dem Verdacht, nicht clever genug zu sein, vor allem, wenn kein Text dazukommt. Südameri- kaner sind da lockerer, zum Beispiel Marcello Serpa, Chef von Almap BBDO. Wenn der Bilder für exzellente Printkampagnen braucht, lässt er seine Kreativen TV Spots schreiben. Der Höhepunkt der Handlung wird dann als Foto realisiert. Dazu nur noch das Logo, fertig! Wir bekommen dergleichen nur selten hin. Für die sehr erfolgreiche Matchbox-Kam- pagne mit Kajetan Kandler hat es funktioniert. Da haben wir kleine Jungs in richtig große Autos gesetzt, mit dem entrückten Blick, den Kinder haben, wenn sie völlig ins Spiel abtauchen, ohne Text. Mein damaliger AD hat schwer die Stirn gerunzelt, aber am Ende hing das Ding in Cannes, mit Gold dekoriert. Das perfekte Bild absorbiert die Geschichte und auch den Text und all das – du brauchst kein Wort mehr zu schreiben. Selbst der Claim kann raus – nur noch das Logo reinsetzen. Dann hast du eine Art von Kommunikation, die extrem schnell, extrem stark, extrem plakativ, extrem merkfähig und sehr emotional ist. joch e n r ä de k e r Bleibt die Frage: Von wem kommt die? In eurer Matchbox-Kampa- gne habt ihr die Jungs ein bisschen vergrö- ßert. Autofotografie besteht heute fast kom- plett aus CGI; ich kenne zumindest keinen Fotografen, der sein Auto noch auf der Land- straße parkt und danach in Photoshop die Dreckflecken rausstempelt. Könnte eine tolle Photoshop-Bude das gewünschte Bild zusam- menbauen, wenn ich ein perfektes Scribble vorlege? Brauche ich wirklich noch den kre- ativ denkenden Fotografen, der auf dem Set agiert und zur Not auch mal den Art Director mal in den Senkel stellt, weil er einfach mehr Ahnung vom Bild hat? st e ph a n voge l Du brauchst beides. Es gibt Projekte, bei denen der Fotograf alles vermas- seln kann, weil die Bildidee und die Kompositi- on extrem störungsanfällig sind. Da ist es gut, einen extrem kontrollierten Prozess zu haben. Wenn der Fotograf gut ist, dann nimmt er das als Herausforderung. joch e n r ä de k e r Darf ich kurz einhaken? Es gibt ja mittlerweile ziemlich exakte Foto- briefings, dank digitaler Instrumente. Wenn wir Ideen für Geschäftsberichte präsentieren, fragen die Vorstände oft, warum sie über- haupt noch fotografiert werden sollten – wir haben deren Köpfe perfekt auf irgendeinen