(im Gegensatz zur Vorinstanz) eine zulässige freie Benutzung der Aufnahme von Newton. Gegenstand der Fotografie sei ein Akt, also die Darstellung von Nacktheit und Erotik. Bei dem Gemälde von Pusenkoff gehe es dagegen nicht um die Darstellung des nackten weiblichen Körpers, sondern um die Farbe. Alles, was die Eigentümlichkeit und Schutzfähigkeit der Foto- grafie von Newton begründe, fehle in dem Bild » Power of Blue «. Es bleibe eigentlich kaum etwas, was Pusenkoff noch hätte tun können, um sich von dem Newton-Bild zu entfernen, ohne die Wiedererkennbarkeit zu gefährden und auf die beabsichtigte Bezugnahme ganz verzichten zu müssen. » Cowboy mit Baby « (Abb. 14) Das Foto von Werner Bokelberg war für eine Werbeanzeige mit einem anderen Mann und einem anderen Baby nachgestellt worden. Auf dem älteren Bild neigt der Mann den Kopf nach rechts, auf dem jüngeren Bild nach links. Beide Männer tragen einen beigefarbenen Cowboyhut und eine gleichfarbige Winterjacke mit Pelz- kragen. Zu diesem Fall gibt es gegensätzliche Entscheidungen. Während das Amtsgericht Hamburg eine abhängige Bearbeitung ver- neint, weil für das Motiv » Cowboy mit Baby « kein Urheberrechtsschutz bestehe und deshalb niemand gehindert sei, dasselbe Motiv unter identischen Bedingungen erneut aufzuneh- men, heißt es in der Berufungsentscheidung des Landgerichts Hamburg, dass das auf dem Ursprungsfoto abgebildete Motiv des fürsorg- lichen Cowboys mit dem schlafenden Baby auf einem besonderen künstlerische Arrangement des Fotografen beruhe und deshalb Urheber- rechtsschutz genieße. Das später aufgenomme- ne Foto habe die Gestaltungsmerkmale, die den ästhetischen Gesamteindruck der Fotovorlage bestimmen, nahezu identisch übernommen, so dass die jüngere Aufnahme als unfreie Bearbeitung des älteren Lichtbildwerkes ein- zustufen sei. » New York City, 1974 « (Abb. 15) Das linke Bild gehört zu den bekanntesten Aufnahmen von Elliott Erwitt. Das rechte Foto wurde für eine Werbeanzeige der Ford-Werke angefertigt. Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg handelt es sich bei dem Werbefoto um eine unzulässige Bearbeitung der Aufnahme von Elliott Erwitt. Zwar sei niemand gehindert, ein Fotomotiv nachzustellen und erneut zu foto- grafieren. Wenn aber das nachgestellte Motiv auf einem künstlerischen Arrangement des Fotografen beruhe und Urheberrechtsschutz genieße, sei die Übernahme des geschützten Arrangements unzulässig. Bei dem Motiv » New York City, 1974 « handele es sich um ein von dem Fotografen geschaffenes Arrangement, das » durch und durch künstlerischer Natur « sei. Da wesentliche Details dieses Arrangements, insbesondere die markanten Stiefel und der kleine Hund mit der Kopfbedeckung, für das Werbefoto übernommen worden seien, komme eine freie Benutzung nicht in Betracht. » Klammerpose « (Abb. 16) Gegenstand des Rechtsstreits waren zwei Bil- der, die einen Mann mit seitlich ausgestreckten Armen und eine Frau zeigen, die sich an den Körper des Mannes klammert. Auf dem Foto von Gert Weigelt trägt der Mann ein Hemd und eine Hose, die seine Beine bedeckt, während der Mann auf dem später aufgenommenen Foto mit nacktem Oberkörper und einer kurzen Hose zu sehen ist. Die beiden Bilder unterscheiden sich außerdem dadurch, dass die Frau auf dem älteren Foto unter dem linken Arm und die auf dem jüngeren Foto unter dem rechten Arm des Mannes hervorschaut. Für das Ober- landesgericht Köln waren diese Unterschiede allerdings unerheblich. Entscheidend sei der Gesamteindruck der prägenden Merkmale. Vergleiche man die beiden Fotos unter diesem Aspekt, dann zeige sich eine Übereinstimmung in allen wesentlichen gestalterischen Elementen (Klammerpose, Bildausschnitt). Die vorhande- nen Abweichungen seien nicht geeignet, den für eine freie Benutzung notwendigen Abstand zu schaffen. » Rote Couch « Für sein Projekt » Rote Couch « hat der Foto- graf Horst Wackerbarth in den vergangenen 30 Jahren auf der ganzen Welt bekannte und unbekannte Personen fotografiert, die auf einer roten Couch sitzen. Vor einigen Jahren ließ der Tabakkonzern British American Tobacco nach diesem Konzept verschiedene Werbeanzeigen anfertigen. Auf einem der Werbefotos war ein elegant gekleideter Mann zu sehen, der auf einer roten Couch über den Häusern von Manhattan schwebte. Ein ähnliches Foto hatte zuvor Horst Wackerbarth aufgenommen. Es zeigt einen Fensterputzer in luftiger Höhe auf einer roten Couch vor der Fassade eines New Yorker Wolkenkratzers (Abb. 17). Das Landge- richt Hamburg konnte sich trotz signifikanter Übereinstimmungen zwischen den beiden Bildern nicht dazu entschließen, das Werbefoto als abhängige Bearbeitung der Wackerbarth- Aufnahme einzustufen. Zur Begründung hieß es, dass Horst Wackerbarth für das Bildkonzept » Rote Couch « keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen könne und niemand gehindert sei, dieses Konzept aufzugreifen und neu umzusetzen. Zwar könne für das besondere Arrangement der Szene mit dem Fensterputzer ein urheberrechtlicher Schutz bestehen, doch sei dieses Arrangement nicht übernommen worden, denn das Werbefoto unterscheide sich hinsichtlich des Blickwinkels, der Beleuchtung und der Aufhängung des Sofas deutlich von dem Fensterputzer-Bild. Acht Jahre später kam es zu einem weiteren Rechtsstreit, der vor derselben Kammer des Hamburger Landgerichts ausgetragen wurde. Diesmal ging es um eine Werbeanzeige, die drei junge Leute mit einem Bierglas auf einer roten Couch zeigt. Die Couch hängt über einer Wiese und ist wie eine Schaukel am Ast eines Baumes mit grünem Blattwerk befestigt. Zuvor hatte Horst Wackerbarth ein ähnliches Bild aufgenommen. Es zeigt zwei Mädchen auf einer roten Couch, die ebenfalls wie eine Schaukel (14) Foto von Werner Bokelberg (links) und nachgestelltes Mövenpick-Werbefoto (15) » New York City, 1974 « von Elliott Erwitt (links) und nachgestelltes Foto für die Ford-Werbung (16) » Klammerpose « von Gert Weigelt (links) und nachgestelltes Foto (17) Foto von Horst Wackerbarth, 1979 (links) und BAT-Werbefoto, 1994 / 95 (18) Foto von Horst Wackerbarth, 2003 (links) und Werbeanzeige » Maisel’s Weisse, 2005 124