Florian W. Müller

Alle Teile der Natur stehen in einem empfindlichen Gleichgewicht zueinander. Equilibrium – diese fragile Balance thematisieren gleich fünf Serien des Kölner Fotografen. Nächtliche Szenerien, prächtige Farben, spektakuläre Formen: Die Leica Galerie Wetzlar zeigt Müllers faszinierende Einblicke in erstaunliche, aber auch gefährdete Tierwelten und ungewöhnliche Pflanzenarten.

Die Werkgruppe Neglect ist mittlerweile zu einer Tetralogie angewachsen und setzt sich aus den Serien Anima, Ikarus, Samsa und – erstmals ausgestellt – Basilisk zusammen. Ergänzt werden diese vier Tierserien um die Arbeit Forbidden Fruit, in der skurrile Pflanzen im Mittelpunkt stehen. „Neglect“ bezeichnet in der Neurologie eine bestimmte Wahrnehmungsstörung. Müller überträgt diese Beeinträchtigung auf unseren Umgang mit der Tier- und Pflanzenwelt und nutzt für jede Werkgruppe eine eigene Bildsprache: Seltene oder schon ausgestorbene Vogelarten, ausgestopft und im Museum exponiert, wurden für Anima mit nur einer Lichtquelle vor Ort aus der Dunkelheit befreit und zu beeindruckenden Vertretern des Artenverlustes inszeniert. Ikarus – symbolisch betitelt als Mahnung vor einem drohenden Absturz infolge immer höher fliegender Wünsche der Menschheit – stellt farbintensive Vogelpräparate vor. Samsa ist von Franz Kafkas Novelle „Die Verwandlung“ inspiriert, und Müller fotografierte für diese Serie winzige Insekten in schillernden, traumhaft-bizarren Großaufnahmen. Die Schwarzweißserie Basilisk präsentiert als jüngste Ergänzung der Neglect-Werkgruppe Reptilien- und Amphibienpräparate auf feinen Platin-Palladium-Abzügen. Die fünfte Serie Forbidden Fruit widmet sich der Diversität von Pflanzen und zeigt ungewöhnliche Auswüchse der Pflanzenwelt, bedingt durch Eingriffe des Menschen.

Florian W. Müller nimmt uns mit auf eine spannende Entdeckungsreise in kaum gesehene Tier- und Pflanzenwelten. Alles ist mit großer technischer Raffinesse fotografiert, doch im Vordergrund der überwältigenden Bildinszenierungen steht immer die Zerbrechlichkeit und die einzigartige Schönheit in vielfältigen Besonderheiten der Natur.

Kennzeichnend für den heute international ausgezeichneten und ausgestellten Fotografen ist seine experimentelle Art visueller Kommunikation, die alle Betrachtenden zu einer Reflexion über die Bildinhalte herausfordert. Florian W. Müller (*1974) lebt in Köln und war von 2020 bis 2022 Mitglied des Bundesvorstands des BFF (Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter e. V.); seit 2016 ist er Mitglied der AOP (Association of Photographers) in London.

Die Aufnahmen entstanden in den Senckenberg Sammlungen in Frankfurt a. M. und Dresden sowie im Botanischen Garten der Universität Bonn; fotografiert wurde mit einer Leica SL, einer Leica SL2 und einer Leica S3.

Zitat

„In rasantem Tempo verschwinden immer mehr Tierarten – mit weitreichenden Folgen. Wenn wir die Natur weiterhin so behandeln, wie wir es tun, dann bleiben für unsere Nachkommen nur noch solche präparierten Tiere von der einst so vielfältigen Fauna übrig. Es würde mich freuen, wenn meine Bilder Gedanken über Schönheit, Diversität, aber auch Zerbrechlichkeit der Natur in Gang setzten.“ Florian W. Müller