Herlinde Koelbl

Herlinde Koelbl: „Metamorphosen“, 2022 © Herlinde Koelbl

BFF-Ehrenmitglied Herlinde Koelbl, die wohl bedeutendste Portrait- und Menschenfotografin unserer Zeit, hat ihrem umfassenden fotografischen Werk ein neues, inspirierendes Kapitel hinzugefügt. Ihr Projekt „Metamorphosen“ zeigt erstmals nicht den Menschen selbst, sondern reflektiert sein Sein im Wesen der sich beständig verändernden Natur. Das H2 – Zentrum für Gegenwartskunst präsentiert die über 100 faszinierenden Farbfotografien von Herlinde Koelbl exklusiv und zum ersten Mal in einer groß angelegten Schau.

Schon ihre früheren Serien von Politikern, die Koelbl über Jahrzehnte mit der Kamera begleitete, ihre ‚Jüdischen Porträts‘, in denen sie Überlebende der Shoah aufnahm, oder ihre Aufnahmen von Wissenschaftlern sind gekennzeichnet vom tiefen Interesse am Ineinanderfließen von Vergangenheit und Gegenwart als einem Zustand permanenter Veränderung. So wie die Verwandlung des Menschen durch Zeit, Geschichte und Erlebtes sich in den Gesichtern der von ihr porträtierten Personen spiegelt, erscheint sie in Koelbls neuen Bildern nun metaphorisch in einem Konvolut farbstarker Naturbilder.

Herlinde Koelbl schreibt selbst zu ihrem neuen Projekt:

„In der langen Reihe meiner Projekte ist es das erste Mal, dass keine Menschen zu sehen sind. Doch ein Thema, das sich durch meine Arbeiten zieht, ist geblieben, die Vergänglichkeit. Nun liegt mein Fokus auf der Natur. In ihr bleibt nichts wie es ist. Entstehen, Werden und Vergehen. In den „Metamorphosen“ sind alle Lebensthemen enthalten. Es sind die Sollbruchstellen für Verwandlung.
Im Vergehen lässt die Natur eine neue Schönheit und eine veränderte Wahrnehmung entstehen. Es bedarf einer besonderen Achtsamkeit, eines genauen Hinschauens, dies zu erkennen. Die Natur erschafft unglaubliche Formen, Farben und Strukturen. Alles wandelt sich, wird spröde, erschlafft oder erstarrt, wechselt den Aggregatszustand. Farben verändern sich in ihrer Intensität und Skala der Tonalität.
Durch Hervorhebung von Details entstehen eigene Bildkompositionen. Eine neue Ebene von Realität und Wahrnehmung erscheint. Die Bilder werden abstrakt, ein Schwebezustand wird erreicht. Eine Art visuelle Archäologie, die sich überlagert oder auch kollidiert mit den Bildern oder Vorstellungen, die wir zu kennen glauben. Gegenwart und Vergangenheit fließen ineinander. Und die Zukunft liegt im Wiedererscheinen.“
Herlinde Koelbl, September 2022