Lost in Transformation

Grafik: Johannes Arndt

Wenn sich 17 Fotografen des BFF-Bayern entschließen, gemeinsam ein fotografisches Thema analog, das heißt mit klassischem Filmmaterial zu
erkunden, darf man auf das Ergebnis gespannt sein. Wenn dann das selbstgesuchte Thema „Lost in Transformation“ heißt und dazu die Arbeiten mit nur einer von Linhof München dafür zur Verfügung gestellten Großformatkamera „Master Technika“ – gemacht werden, sind hier formal sowie inhaltlich Grenzen gesetzt. Was jetzt im Ergebnis des Projekts präsentiert wird, ist dagegen eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Thema der Veränderung. Die Fotograf*innen finden neben der interpretatorischen Auseinandersetzung auch sehr unterschiedliche Bildsprachen.

Ein Großteil der Fotografien reflektieren kritisch, humorvoll und ironisch den Wandel. Nicht besonders verwunderlich ist, dass die bayerische Heimatdefinition in der Spannung zwischen Tradition und Moderne in vielen Arbeiten ihren Ausdruck findet. In ironischen Inszenierungen greifen Stefan Nimmesgern und Steffi Aumiller das Thema auf.

Stefan Nimmesgern inszeniert eine Werbeanzeige aus den 50ern – das Gipfelkreuz wird zur Location für fotografierten Freizeitspaß. Als Gegenstück zeigt er „Reisefotografie“ heute: Handy-Szene in exotischer Landschaft. Beide Bilder in der ausgeblichenen Farbstimmung alter Magazine: So ist selbst die Farbwelt der Veränderung unterworfen.

Steffi Aumiller setzt ihre Dame in höfisch traditioneller Tracht in Szene, die so vor gut 100 Jahren aufgenommen worden sein könnte. Die Fotografin stattet ihr Modell allerdings mit zeitgemäßen Requisiten wie Handy oder Pizza aus. Der Selfiekult sowie Gesten, die wir aus den sozialen Netzwerken kennen, werden zitiert. Aumiller persifliert Eitelkeit gestern und heute und löst in ihren Schwarzweiss-Fotografien spielerisch das Thema „Lost in Transformation“ auf.

Auch Felix Holzer und das Team Ingolf Hatz & Julia Hildebrand arbeiten mit dem Mittel der Inszenierung. Felix Holzer arrangiert technische Kultobjekte aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auf popigem Streifenhintergrund. Kofferradio, Schallplatte oder Polaroidkamera, längst aus dem Alltag verschwunden, erhalten eine museale Aufmerksamkeit. Die Fotografien selbst werden zur Designstudie. Anders beim Team Ingolf Hatz & Julia Hildebrand. Ihre skurrilen, fast surrealistischen Bilder gehen an die Schmerzgrenze der Food-Fotografie, ironisieren mit Assoziationen und Analogien auch die aktuelle Lifestyle Omnipräsenz im Esskult – und vielleicht auch ihre eigene Arbeit?

Ganz anders bei Hermann Dörre und Gerd Knorr, die in ihren Bildern auf aktuelle Umweltproblematik verweisen. Ist bei Gerd Knorr die Farbigkeit der weggeworfenen Plastikstühle ästhetisch dominant, so verweist Hermann Dörre sachlich realistisch auf die umstrittene Stilllegung des Kraftwerk Irsching.

Um Recycling geht es bei den Bildern von Stefan Schütz. Hier allerdings steht die ästhetische Farb- und Materialstudie beim Entsorgen/Transformieren eines Autos im Vordergrund.

Fast wie eine Schnappschusskamera setzt Andreas Hanschke das Großformat ein: Vier Bayern in Tracht an einem Wirtshaustisch schauen auf ihr Handy.

David Beger dagegen zeigt ein Waldstück mit Stammholz Lagerung. Die rot markierten Schnittstellen lassen an Verwundungen denken und versperren den Weg.

Christian Kaufmanns Schwarzweiß Porträt des Profifußballers Serge Gnabry, FC Bayern München, mit der Doppelbelichtung einer nächtlichen Skyline verweist auf die Veränderung der traditionellen Zusammensetzung der Bevölkerung – bis hin zur Veränderung seiner Idole.

Stefan Hobmaiers menschenlose Bilder zeigen durch Beton und Stahl geschaffene anonyme Räume – Abgrenzung zu Verkehrswegen, Resultat einer Umgestaltung der Landschaft mit kühlen Farben und klaren Strukturen.

Im Gegensatz zum Bildstils Hobmaiers nutzt Klaus Einwanger für sein Schwarzweiss Porträt eines Mönches die Möglichkeiten der extremen Schärfedifferenzierung und gibt dem Porträtierten damit ein Umfeld, das ihn von Raum und Zeit zu lösen scheint.

In seinen Bildern spielt Ralf Dieter Bischoff mit der Ästhetik des Polaroids, das lange Zeit als Kontrollmaterial vor der eigentlichen Belichtung des Planfilms diente. Mit falschen Abrissen und Farbsäumen des überlagerten Materials gelingt ihm auf seinen Polaroids eine Reminiszenz an die Veränderungen in der Fotografie, die im Kontrast zum Motiv der umgeformten Landschaft mit Autobahn und begradigtem Flusslauf steht.

Christian Brecheis porträtiert einen Cabriofahrer im roten Oldtimer mit Jagdhund, alle drei scheinen perfekt aus der Zeit gefallen. Das Motiv und die Bildauffassung gaukeln eine Szene vor, die so etwa auch vor mehr als 50 Jahren ausgesehen haben könnte…

Kai Stiepels Makro-Studie geht das Thema „Lost in Transformation“ im Detail an: Farbige Tropfen, Spuren eines Prozesses, Auflösung, Verdrängung.

Mit Abstand den umfangreichsten Beitrag reicht Florian Hammerich ein. Mit seinem Projekt über die Dombauhütte Regensburg legt er überzeugende fotografische Arbeiten vor, die in ihrer klassischen Formensprache der Thematik der Restaurierung entsprechen. Seine sorgfältig komponierten Porträts werden im Hintergrund von einem gotischen Spitzbogen umrahmt. Fast werden die Steinmetze so selbst zu Heiligen erhoben! Ergänzt werden seine farblich ruhigen Menschenbilder mit Architektur- und Detailaufnahmen.
Barbara Wolff

Die Vernissage findet am 24.10. ab 18 Uhr in den denkmalgeschützten Hallen, also im ehemaligen Casino des weltbekannten Herstellers für Großformatkameras Linhof in Obersendling statt.
Barbara Wolff führt um 19 Uhr durch die Ausstellung, bevor es um 20 Uhr Burger und Bier zu den Bildern gibt!

 

Linhof Rupert-Mayer-Straße München Vernissage: 24.10.2019 18:00