Die BFF-Justiziarin informiert zu den Folgen des Corona-Virus – Teil VIII

Dorothe Lanc © Klaus Mellenthin

8. Künstlersozialkasse (KSK): Sonderregelungen während der Corona-Krise

Die Künstlersozialversicherung für selbständige Künstlerinnen und Künstler ist als Institution in Europa einmalig. Sie basiert auf dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG), das vor 40 Jahren vom Bundestag verabschiedet wurde und zum 1.Januar 1983 in Kraft trat.
Ihm vorangegangen war eine zehnjährige Entstehungsgeschichte: 1971 beschließt der Bundestag von der Bundesregierung einen Bericht über die wirtschaftliche Lage der künstlerischen Berufe anzufordern. Der Autorenreport von 1975, der Schriftsteller, Übersetzer und Journalisten betrifft und der Bericht zur Situation der übrigen Künstlerinnen und Künstlern von 1975 offenbart deren prekäre Finanzlage.
Wegen unregelmäßiger Aufträge, schwankender und meist ohnehin niedriger Honorare können sie keine Rücklagen bilden. Die Einkünfte reichen nicht, um sich freiwillig in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung zu versichern. Ihnen drohte Altersarmut und bei Krankheit der soziale Absturz. Inzwischen sind in der Künstlersozialkasse (KSK) ca. 192.000 Künstlerinnen und Künstler versichert.

Dieses gut durchdachte und funktionierende Versicherungssystem hat in der Corona-Krise allerdings auch so seine Tücken. Denn die festgesetzten Beitragszahlungen laufen für die KSK-Versicherten weiter. Unternehmen, die zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sind, haben ebenfalls die für sie festgesetzten Vorauszahlungen zu leisten. In Zeiten, in denen keine Kulturveranstaltungen stattfinden und Jobs abgesagt werden, mithin Einnahmeausfälle für Versicherte und Abgabepflichtige an der Tagesordnung sind, ist dies eine zusätzliche finanzielle Belastung.
Allerdings haben das Bundesarbeitsministerium sowie der Gesetzgeber während Corona-Krise reagiert und Sonderregelungen für die KSK erlassen.

1. Künstlersozialversicherung

1.1 Hinzuverdienste aus nicht-künstlerischer Tätigkeit

Um in die Künstlersozialversicherung aufgenommen zu werden, muss man eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit selbstständig, erwerbsmäßig und dauerhaft ausüben. Dies bedeutet insbesondere, dass man seinen Lebensunterhalt durch Einnahmen dieser künstlerischen Tätigkeit bestreitet.
In der Corona-Pandemie sind vielen Kreativen und Kulturschaffenden die Einnahmen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit weggebrochen. Sie kämpfen um’s nackte Überleben. Ihnen bleibt derzeit nichts anderes übrig, als vorübergehend ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen. Viele versuchen die Löcher in ihrer Haushaltkasse durch andere, nicht-künstlerische Tätigkeiten zu stopfen. Jedoch setzen sie dabei ihre KSK-Mitgliedschaft auf’s Spiel. Denn zusätzliche Einkünfte aus nicht-künstlerischer Tätigkeit sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn man weiterhin in der KSK versichert sein will.

Hinzuverdienst aus nicht-künstlerischer, selbständiger Tätigkeit

Zusätzliche Einkünfte aus einer anderen selbständigen, nicht-künstlerischen Tätigkeit sind nur in geringem Umfang von bis € 5.400.- jährlich zulässig.
Wer diese Grenze überschreitet, dem droht die sog. Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG). Konkret bedeutet dies, dass die monatlichen Krankenversicherungsbeiträge nicht mehr von der KSK mit 50% bezuschusst werden und man für diese zu 100% allein aufkommen muss.
Dies sind zwingende gesetzliche Vorgaben, an die sich auch die KSK zu halten hat. Von diesen abzuweichen, etwa durch ein gewisses Ermessen oder großzügigere Auslegung des Gesetzes, konnte die KSK nicht.

Am 23.07.2021 hat der Bundestag nunmehr eine zeitlich begrenzte Erhöhung dieser Hinzuverdienstgrenze für Einkommen aus nicht-künstlerischer bzw. nicht-publizistischer, selbständiger Nebentätigkeit beschlossen.  Künstler und Publizisten, die nach dem 22.07.2021 monatlich bis zu € 1.300.- aus einer selbständigen, nicht künstlerischen Tätigkeit erzielen, bleiben weiterhin in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Allerdings besteht die Pflicht, die KSK von der Aufnahme einer solchen Tätigkeit zu informieren. Diese erhöhte Hinzuverdienstgrenze ist zeitlich begrenzt und gilt zunächst nur bis zum 31.12.2021.
Für Künstler und Publizisten, die ab dem 01.01.2020 bereits schon die Hinzuverdienstgrenze € 5.400.- überschritten und deshalb in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei wurden, besteht die Möglichkeit, dass ihre Versicherungspflicht wiederfestgestellt wird. Sie erhalten zur Überprüfung dieser Möglichkeit von der KSK eine Abfrage zum voraussichtlichen Arbeitseinkommen aus der Nebentätigkeit.

Hinzuverdienst aus nicht-künstlerischer, angestellter Tätigkeit

Alternativ können sich KSK-Versicherte einen Nebenjob im Angestelltenverhältnis suchen. Hier gelten – wie bisher – unverändert hohe Freigrenzen, ehe es zu einem Ausschluss aus der KSK kommt. KSK-Versicherte können in einen nicht-künstlerischen, sozialversicherungspflichtigen Nebenjob bis zu € 3.550.- brutto (im Osten: bis zu € 3.350.- brutto) verdienen und bleiben weiterhin in der KSK rentenversichert. Ihre Krankenversicherungsbeiträge werden in diesem Fall ohnehin über das Angestelltenverhältnis durch den Arbeitgeber bezahlt.
Voraussetzung ist allerdings, dass sie immer noch künstlerisch tätig sind und noch Einkünfte aus dieser künstlerischen Tätigkeit erzielen.

1.2 Korrektur des gemeldeten, voraussichtlichen Arbeitseinkommens

Bei sinkenden Einnahmen können KSK-Versicherte zusätzlich finanzielle Entlastung schaffen, indem sie bei der KSK eine Beitragsanpassung beantragen. Dies funktioniert wie folgt:
KSK-Versicherte müssen monatliche Beiträge für ihre Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zahlen. Bemessungsgrundlage für diese Beiträge ist das voraussichtliche Jahresarbeitseinkommen aus der selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit. Hierfür müssen KSK-Versicherte jährlich bis Anfang Dezember ihr voraussichtliches Arbeitseinkommen im kommenden schätzen und gegenüber der KSK angeben. Denn die KSK benötigt diese Angaben zur Berechnung der zukünftigen monatlichen Versicherungsbeiträge, die sie jährlich neu festsetzt.
Zeichnet sich aber sodann im folgenden Jahr ab, dass die Einkünfte von dem im Dezember geschätzten Jahresarbeitseinkommen abweichen, besteht jederzeit die Möglichkeit, die sinkenden (und umgekehrt auch steigende) Einnahmen gegenüber der KSK über ein dafür bereitgestelltes Formular anzuzeigen. Die KSK passt dann die Beitragshöhe ab dem Folgemonat nach Eingang der Änderungsmeldung an. Rückwirkend werden die bereits in den vergangenen Monaten gezahlten Beiträge nicht angepasst.
Zu beachten ist allerdings, dass im Falle einer Beitragsanpassung wegen geringerer Einnahmen, die sodann festgesetzten reduzierten Beitragszahlungen sich auch auf die Höhe der Rentenanwartschaften auswirken und sich diese ebenfalls reduzieren können.

1.3 Unterschreitung der Mindesteinkommensgrenze von € 3.900.-

Schließlich weist die KSK auch daraufhin, dass KSK-Versicherte, die infolge der Corona-Krise für das Jahr 2021 ein Jahresarbeitseinkommen von nicht mehr als € 3.900,- erzielen, auch weiterhin versichert bleiben.
Der Betrag von € 3.900.- markiert die sog. gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze: wer in die KSK aufgenommen werden will, muss ein voraussichtliches Arbeitseinkommen von wenigstens 3.900 € pro Jahr aus der selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit erzielen. Der Gesetzgeber hat dieses Mindesteinkommen festgesetzt, um sicherzustellen, dass nur diejenigen in die Künstlersozialversicherung aufgenommen werden, die hauptberuflich als selbstständige Kreative ihren Lebensunterhalt bestreiten. Erzielt jemand ein geringeres Arbeitseinkommen aus selbstständiger künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit, geht der Gesetzgeber davon aus, dass er diese Tätigkeit nicht hauptberuflich ausübt, sondern seinen Lebensunterhalt anderweitig verdient und insoweit auch sozial abgesichert ist.
Allerdings macht die KSK auch darauf aufmerksam, dass dies nicht gilt, sofern KSK-Versicherte bereits in den Kalenderjahren vor der Corona-Krise, also bis einschließlich 2019 mehr als zweimal diese Mindesteinkommensgrenze in Höhe von 3.900 Euro nicht überschritten haben.
Die KSK verweist damit auf die Regelungen des § 3 Abs. 3 KSVG: Wenn das Arbeitseinkommen von Künstlern/Publizisten vorübergehend einbricht und die Geringfügigkeitsgrenze unterschreitet, bedeutet dies nicht gleich den Ausschluss aus der Künstlersozialversicherung. Das Gesetz regelt für diese Fälle, dass eine zweimalige Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze innerhalb von sechs Kalenderjahren unschädlich ist und die Versicherungspflicht weiter besteht. Wird die Geringfügigkeitsgrenze jedoch öfter oder dauerhaft unterschritten, droht der Ausschluss aus der Künstlersozialversicherung.

1.4 Zahlungserleichterungen / Zahlungsaufschub

Bei akuten und schwerwiegenden Zahlungsschwierigkeiten können Versicherte bei der KSK auch schriftlich die Stundung oder Ratenzahlung der Versicherungsbeiträge beantragen. Der Antrag soll eine kurze Begründung zu den Umständen der Zahlungsschwierigkeiten beinhalten. Bei der Prüfung dieser Anträge verspricht die KSK, die durch die Corona-Krise bedingte aktuelle Lage sowie die weiterhin bestehenden Einschränkungen zu berücksichtigen. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass sie bei Zahlungsrückständen grundsätzlich Zinsen berechnen muss.

1.5 Grundsicherung und Corona-Soforthilfen

KSK-Versicherte, die derzeit Grundsicherung oder Corona-Soforthilfen beziehen, müssen ebenfalls nicht befürchten, ihren Versicherungsstatus zu verlieren. Diesen Betroffenen gibt die KSK auf ihrer Internetseite weitere Hinweise, wie sich sie sich verhalten sollen.

2. Künstlersozialabgabe

Die Künstlersozialversicherung finanziert sich – neben den Beiträgen der Versicherten, außerdem durch die Künstlersozialabgabe. Die Künstlersozialabgabe wird bei den Unternehmen erhoben, die typischerweise künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen (z.B. Verlage, Presseagenturen, Fernsehsender, Galerien, Kunsthändler, Werbe- und PR-Agenturen u.v.m.). Aber auch alle anderen Unternehmen, die für die Erstellung ihrer Eigenwerbung selbständige Künstler beauftragen (z.B. Grafikdesigner, Texter, Fotografen), und alle sonstigen Selbständigen, die nicht nur gelegentlich andere selbständige Kreative beauftragen (z.B. ein Fotograf beauftragt für sein Foto-Shooting einen Stylisten), haben Künstlersozialabgabe zu zahlen. Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Künstlersozialabgabe sind die an selbstständige Künstler oder Publizisten gezahlten Entgelte.
Viele dieser kunstverwertenden Unternehmen sind ebenso von der Corona-Krise betroffen. Gleichwohl sind sie zur Zahlung der durch die KSK festgesetzten Zahlungen verpflichtet. Auch hier biete die KSK Entlastung an:

2.1 Korrektur der monatlichen Vorauszahlungen

Ein abgabepflichtiges Unternehmen muss für das laufende Kalenderjahr monatliche Vorauszahlungen leisten. Deren Höhe orientiert sich an der Summe der Entgelte, welche das Unternehmen ab März des Vorjahrs bis Ende Februar des Folgejahres an selbständige Künstler und Publizisten gezahlt hat. Diese Summe geteilt durch 12 ergibt den monatlichen Vorauszahlungsbetrag des nächsten Jahres. Die Vorauszahlungspflicht entfällt, wenn der monatliche Vorauszahlungsbetrag 40 Euro nicht übersteigt.

Soweit im laufenden Jahr absehbar ist, dass die Zahlungen des abgabepflichtigen Unternehmens an selbständige Kreative deutlich geringer sind, kann das Unternehmen bei der KSK die Herabsetzung der Vorauszahlungen beantragen und dadurch seine Liquidität erhöhen. Die KSK hat auf ihrer Internetseite hierfür ein Antragsformular bereitgestellt. Im Antrag ist die in diesem Jahr voraussichtlich zu erwartende Summe der abgabepflichtigen Entgeltzahlungen anzugeben und diese kurz zu begründen.

2.2 Zahlungserleichterungen / Zahlungsaufschub

Abgabepflichtige Unternehmen können, wenn sie durch die Corona-Krise bedingt in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, einen Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung der Vorauszahlungen stellen. Dieser formlose Antrag ist ausführlich zu begründen. Die KSK prüft den Antrag und verlangt ggf. ergänzende Auskünfte oder Unterlangen. Gewährt die KSK eine Stundung oder Ratenzahlung, besteht die Abgabe- und Vorauszahlungspflicht zwar weiterhin fort, die Forderungen werden aber von der KSK bis zum genannten Zeitpunkt nicht geltend gemacht.

3. Bundeszuschuss

Da die Einnahmen der KSK aus Versicherungsbeiträgen der KSK-Versicherten und der Abgabepflichte der der Verwerter Corona-bedingt derzeit enorm sinken, erhält die KSK aus der Künstlersozialabgabe außerdem nun einen Bundeszuschuss, der sich auf 84,5 Millionen Euro beläuft.

4. Fazit

Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass das Bundesarbeitsministerium sowie der Gesetzgeber angesichts der dramatischen Auswirkungen der Corona-Krise auf Kultur- und Kreativwirtschaft nunmehr reagiert haben.
Vielen Betroffenen mögen diese Anpassungen und Erleichterungen aber eher wie eine viel zu späte, homöopathische Hilfe vorkommen. Denn angesichts des Dilemmas vieler Kreativer, einerseits KSK-versichert bleiben zu wollen, andererseits aber Einnahmequellen aus nicht-künstlerischer aufzutun, um überhaupt leben zu können, hätten sie sich schon im vergangenen Jahr zu Beginn der Corona-Krise schnelle, praktische Lösungen gewünscht. Für viele Kreative war im Jahr 2020 die Ausübung eines anderer, nicht-künstlerischen Jobs alternativlos, wenn sie nicht staatliche Unterstützung beantragen wollten – sie wurden dafür zusätzlich mit dem Ausschluss aus der KSK bestraft. Immerhin haben sie jetzt die Chance, dass KSK-Versicherungsverhältnis wiederauflebt.

 

Ihre / Eure BFF-Justiziarin

Dorothe Lanc

 

www.dorothe-lanc.de

© Rechtsanwältin Dorothe Lanc