Ausgezeichnet mit dem 25. BFF-Förderpreis wurden folgende Arbeiten:


Benjamin Zibner „Rites de Passage“

Folkwang Universität der Künste Essen / Prof. Elke Seeger

Seit Jahren gehört die Jugend zu den Lieblingsthemen beim BFF-Förderpreis. Kein Wunder, lassen sich doch hier gesellschaftliche und soziale Aspekte ebenso visualisieren wie aktuelle (Mode-)Trends. Und so changiert auch die Arbeit von Benjamin Zibner visuell zwischen Sozialreportage und Modestrecke, zwischen Dokument und Inszenierung. Im Mittelpunkt stand stets die Frage: Was bedeutet es, in der heutigen Zeit Jugendlicher zu sein? Antworten fand der Fotograf auf Straßen in Essen, Hamburg, Berlin und Neapel. Hier, im öffentlichen Raum, nahm er Kontakt zu Jugendlichen auf, „als dokumentierender Zeuge, der in das Geschehen eintaucht, Nahansichten liefert und Indizien sammelt, als Autor, der Geschichten erzählt und als Regisseur, der diese Geschichten auf subtile Weise inszeniert“, wie der Fotograf schreibt. Vor allem Situationen, in denen eigentlich nichts passiert, interessierten ihn. Kleine Gesten und Posen der Jugendlichen, ihre Kleidung und die Atmosphäre der Umgebung verdichten sich zu Szenen, die sicher bei vielen älteren Betrachtern süßlich-schmerzhafte Erinnerungen hervorrufen.

Benjamin Zibners Arbeit „Rites de Passage“ wurde als „Best of the Best“ zusätzlich mit dem Reinhart-Wolf-Preis ausgezeichnet.


Sebastian Keitel „Provisonal Installations“

Fachhochschule Bielefeld / Prof. Axel Grünewald

Schon bei einer Reise 2004 in Südamerika übten Slums eine eigenartige Faszination auf ihn aus. Dann fing er an, in Bielefeld Fotografie zu studieren, mit einer Vorliebe für den dokumentarischen Stil und einem ihm eigenen Ordnungssinn. Als er dann gegen Ende seines Studiums einen Dokumentarfilm über Slums in Dhaka, Bangladesch, sah, stand das Thema für die Diplomarbeit fest. Sebastian Keitel fotografierte von Ende Februar bis Mitte Mai 2012 in Dhaka. In einem Slum lernte er einen Bewohner kennen, der etwas Englisch sprach. Der junge Fotograf engagierte ihn als Guide und bekam so Zugang zu den Bewohnern. Er fotografierte die Slumhütten mit und ohne Menschen, dichte Bilder voller farbenfroher Details. Für Betrachter ästhetisch reizvoll ist diese Enge zugleich deutliches Zeichen für die Armut, in der diese Menschen leben. Ein globales Problem. Für Sebastian Keitel zeigt die Arbeit exemplarisch die Wohnverhältnisse von über einer Milliarde Menschen weltweit. Zugleich zeigt sie das Streben des Menschen, sich auch unter extremen Bedingungen wohnlich einzurichten.


Paul Koncewicz „Paul / Paweł“

Fachhochschule Bielefeld / Prof. Axel Grünewald

Wäre Paul Koncewicz in Polen geblieben, würde man ihn heute Paweł nennen. Doch seine Eltern ließen sich scheiden, als er 1 Jahr alt war und einige Jahre danach zog seine Mutter mit ihrem neuen Mann und den beiden Kindern nach Deutschland. Sie lebten sich gut ein in der neuen Heimat, konnten von den Notwohnungen bald in eine Mietwohnung und später in ein eigenes Haus ziehen. Paul Koncewicz war schon Fotostudent, als er seinen leiblichen Vater nach vielen Jahren wieder traf. Sein Interesse galt dem Portrait, dem Familienportrait und so konnte er sich fotografierend den in Polen lebenden Verwandten nähern. In seinem zweiteiligen Buchprojekt widmet er sich dem deutschen und dem polnischen Familienteil, indem er jeweils Bilder aus den Familienalben mit eigenen Fotografien mischt. Da sehen wir den kleinen Pawel braungebrannt auf dem Arm seines leiblichen Vaters und später die beiden Männer auf einem viel zu kleinen Dreirad sitzen. Seine 8 Jahre ältere Schwester in Deutschland und die Halbschwester in Polen sind sich verblüffend ähnlich. Zwei Familien, die getrennt und zugleich vereint, unterschiedlich und zugleich ähnlich sind.


Carlotta Poloni „Demens“ (lat. ‚ohne Geist‘)

Hochschule für angewandte Wissenschaften München / Dozent Klaus Demuth

„Das Problem besteht darin, dass man schwer über etwas nachdenken kann, an das man sich nicht erinnert.“ Dieses Zitat aus J. Bernlefs Buch „Hirngespinste“ (1984) taucht in Carlotta Polonis Buch auf, das sich mit der Alzheimer Krankheit befasst. Zum zweiten Mal zeichnet der BFF eine Abschlussarbeit aus, die sich diesem Thema widmet. Kein Wunder, ist doch die Demenz als Volkskrankheit immer mehr präsent. Carlotta Poloni erlebt Alzheimer aus der Sicht einer Angehörigen, ihre Mutter ist seit vielen Jahren erkrankt. Für die Fotografin führte das zu dem Wunsch, ein möglichst objektives und zugleich visuell ansprechendes Buch zu realisieren. Objektiv in dem Sinne, dass sie medizinische Informationen, Auszüge aus Tests für Alzheimer-Kranke und Zitate von Erkrankten und Autoren liefert. Ihre Bilder sind dagegen emotional und abstrakt, Fotogramme, die sie mit analoger Technik realisierte. Die Bilder sind einerseits ästhetisch reizvoll, andererseits spiegeln Farblosigkeit, Unschärfen, Trübung oder Lochmuster im Zusammenhang mit dem Thema Demenz Ängste wider.


Fabian Weiß „Wolfskinder“ — Child and Youth Services in Germany

University of the Arts London / Dozent Paul Lowe

„Die Kinder haben sich gefreut, dass ich ihnen zuhöre“, erzählt Fabian Weiß im Interview mit der ZEIT. Die Kinder, das sind konkret Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen, die von ihren Eltern getrennt leben und von der Jugendhilfe in Heimen in Deutschland und im Ausland untergebracht wurden. Wie Vanessa, 15, die über ihre Altersgenossen im Heim schreibt: „Ja, mit denen hab ich so viel gemacht und ich hab keine Lust, die schon wieder aufgeben zu müssen, nur weil irgendjemand meint, mich schon wieder woanders hinschicken zu müssen.“ Die Welt der Kinder und Jugendlichen bildet generell einen Schwerpunkt in Fabian Weiß‘ Arbeit und stets gelingt es ihm, eine besondere Nähe aufzubauen. Für sein Buchprojekt „Wolfskinder“ nahm er Kontakt zu Trägervereinen in Deutschland auf, bat Eltern um das Einverständnis und verbrachte dann viel Zeit mit den Jugendlichen in Heimen in Polen, Österreich und Schweden. In den Medien wird mitunter spöttisch über diese Einrichtungen inmitten der Natur berichtet, doch wer diese Bilder sieht, glaubt wieder an den Sinn dieser Chance abseits städtischer Schulen und Heime.